Wer kennt das nicht: Jeder um einen herum meint, auch unbedingt einen semi-sinnvollen Ausspruch zur Lebenssituation des Gegenübers beisteuern zu müssen. Gerne ungefragt und noch lieber negativ. Ich habe nie verstanden, warum Menschen das machen und es hat mich viel Kraft gekostet, mir dafür passende Kommentare zurecht zu legen oder im anderen Fall einfach gar nichts zu sagen, sondern nur milde zu lächeln.
Meine persönlichen Highlights
„Was tut ihr euren Kindern da bloß an? Jetzt müssen sie nicht nur eure Trennung verarbeiten, sondern auch noch ständig hin und her fahren…“. Unsere Wohnungen liegen in ca. 700m Fußentfernung und sowohl Kindergarten als auch Schule sind fußläufig zu erreichen, die Übergabe der Kinder erfolgt an diesen beiden Orten, d.h. einer von uns bringt morgens und der andere holt nachmittags ab. Von ständig hin und her fahren kann hier gar nicht die Rede sein. In den Wohnungen haben die Kinder jeweils „alles“, gelegentlich nehmen die Kinder Kuscheltiere oder ein Buch mit, aber auch das ist nicht anders als in Familien mit einem Wohnsitz.
Schwieriger wird es hiermit: „Ein Kind gehört zu seiner Mutter, du bist egoistisch, wenn du es weggibst…“ Ich gebe das Kind nicht weg, sondern zu seinem Vater und ermögliche es dem Kind dadurch, zu uns beiden eine intensive gleichwertige Beziehung aufzubauen. Wir haben auch vorher schon den Ansatz gelebt, dass beide Elternteile für die Versorgung und die Erziehung der Kinder zuständig sind (auch wenn ich in der Regel mehr Zeit mit den Kindern hatte ;)).
Und mal ehrlich: Sind wir nicht langsam in dem Zeitalter angekommen, wo sich Eltern gleichberechtigt um die Kinder und ihre Karrieren kümmern, sofern sie dieses wünschen? Und wo nicht mehr automatisch die Mutter zuhause bleibt und sich um die Kinder kümmert, weil sie es „von Natur aus“ besser kann? Dies ist keineswegs als Kritik an diesem Modell gemeint, ich finde es toll, wenn sich Paare so einrichten und damit glücklich sind – überhaupt sollte der Grundsatz leben und leben lassen viel mehr gelebt werden. Nur wünsche ich mir die gleiche Zurückhaltung in der Kritik für unser Lebensmodell als eines von vielen, das gelebt werden kann.
Sehr schön auch: „So viel Freizeit wie du hätte ich auch gerne…“. Dazu fällt mir im Grunde am wenigsten ein. Neid ist für mich ein Gefühl, das ich nicht kenne. Dieser Satz fällt häufig von anderen Frauen, die möglicherweise selbst zu wenig Freizeit für sich beanspruchen und die mich darum beneiden, dass ich „automatisch“ keine Kinder dahabe, um die mich kümmern muss.
Ich verkneife mir dann den Satz, dass sie es durchaus selbst in der Hand haben, sich im Rahmen ihrer Partnerschaft ebenfalls um mehr Raum für sich selbst zu bemühen. Möglicherweise fällt das auch unter den Satz „auf der anderen Seite ist das Gras grüner“, denn was die meisten vergessen: Ich habe nicht nur mehr Freizeit, sondern sehe meine Kinder auch viel weniger und vermisse sie durchaus viel. Dieser Teil wird in dem Neidaspekt gerne vergessen.
Das positive überwiegt…!
Zum Glück gibt es auch viele positive Rückmeldungen, die aufrichtige Bewunderung für unser Leben im Wechselmodell aussprechen und sehen können, wie gut es funktionieren kann, wenn sich die Eltern an die genannten Grundsätze aus dem Artikel Grundannahmen für ein erfolgreiches Wechselmodell halten.