Ich habe mir die Frage gestellt, wie ich zum Thema „Vermissen“ stehe und wie ich authentisch darüber berichten kann. Denn erstens wechselt das und zweitens vermissen in der Konstellation des Wechselmodells ja viele Personen andere Personen.
Um es einfacher auszurücken: Ich vermisse meine Kinder, meine Kinder vermissen mich. Meine Kinder vermissen ihren Papa und ihr Papa vermisst sie. Noch genauer: ich vermisse meine Kinder und finde das okay. Ich vermisse meine Kinder und finde das nicht okay. Ich vermisse meine Kinder nicht und finde das okay usw. Das Schema sollte klar sein.
Aufgesplittet bedeutet das: Ich vermisse meine Kinder sehr, wenn sie nicht da sind. Mir fehlt etwas und es kommt mir nicht ganz „normal“ vor. Es ist unnatürlich ruhig und nur das Spielzeug in der Küche erinnert daran, dass hier sonst immer Kinder wohnen. Nach ein paar Tagen wird es spürbar einfacher/leichter. Wenn ich nach Hause komme, der Tag anstrengend war, ich noch irgendwo hin möchte, … ja, da ist es okay, dass sie nicht da sind.
Und dann gibt es auch Phasen, insb. wenn ich sehr belastet bin und viel im Kopf habe, dann vermisse ich sie weniger. Und dann schäme ich mich so sehr, weil ich denke, dass ich sie doch aber vermissen muss und irgendwie keine „richtige“ Mutter bin, wenn ich meine Kinder nicht vermisse. Auf der anderen Seite finde ich es aber auch okay, dass ich sie nicht vermissen, denn schließlich bin ich ja nicht „nur“ Mutter, sondern noch viel mehr. Diese Phasen hatte ich auch vor der Trennung schon, ich bin trotzdem abends mal weggegangen und wenn ich interessante Projekte bei der Arbeit hatte, dann bin ich darin total aufgegangen und habe quasi vergessen, dass ich Kinder habe. Das hat sich tatsächlich ein bisschen verändert, seit ich sie nur noch 50% der Zeit habe.
Lange zu knabbern hatte ich an der Phase des großen Kindes, bei dem es abends im Bett nach seinem Papa geweint hat und gesagt hat, wie sehr er ihn vermisst. Ich habe so gelitten und fühlte mich total abgelehnt und ungeliebt. Das war eine extrem große Herausforderung, hier nicht die Fassung zu verlieren und stattdessen unterstützend und empathisch auf mein Kind einzuwirken. Denn natürlich ist es okay, dass meine Kinder ihren Papa vermissen, wenn er nicht da ist. Und trotzdem tut es ganz schön weh. Wir haben dann festgestellt, dass es ganz schön doof ist, wenn jemand nicht da ist, den man liebhat und dass man dann auch traurig sein darf und sollte.
Mein Ex-Partner vermisst die Kinder laut eigener Aussage auch so in der Art wie ich. Mal mehr, mal weniger. Aber nach über 3 Jahren ist man irgendwann einfach daran gewöhnt, denken wir.
Zusammengefasst lässt sich wohl sagen, dass das Vermissen vielfältig ist und alle Gefühle unbedingt gelebt werden sollten, auch wenn es für die anderen Beteiligten nicht immer einfach ist.